Reimer, Hermann
Unsere kommende Einzelausstellung mit Hermann Reimer ist eine Hommage an die Malerei. Die großformatigen virtuos, hemmungslos und lustvoll gemalten Landschaften des Künstlers und ehemaligen Meisterschülers von Klaus Fussmann präsentieren wir vom 20. April bis zum 13. Mai 2023
Hermann Reimer studierte an der Hochschule der Künste Berlin Malerei und ist Meisterschüler von Klaus Fußmann.
Bei Reimer liegt einerseits der malerische Schwerpunkt auf zum Teil großformatigen Waldbildern, die in dieser Form einzigartig sind, hinzu kommen in den letzten Jahren Wasserspiegelungen. Wie bei seinem Lehrer findet man auch bei Reimer norddeutsche Landschaften, ein großer Teil sogar rund um den Wohnsitz von Fußmann in Schleswig-Holstein entstanden.
Eine hohe Eigenständigkeit der Farbgebung und der virtuose Umgang mit der Darstellung des Lichts zeigen Bilder mit starken Kontrasten und großer Bildtiefe. Sie verführen den Betrachter zum Verweilen oder zum Wandern in seinen sowohl sonnendurchfluteten als auch schattigen Bildräumen.
Technisch versiert malt der Berliner Künstler Bäume, Blätter und das Licht. Mit der Sicherheit eines souveränen Könners trägt er die Ölfarbe von flächig bis pastos mit dickem Pinsel auf die Leinwand auf, so dass sie sich im Auge des Betrachters zu einem vertrauten Seheindruck verbindet. Während der perspektivische Aufbau der Bilder die räumliche Tiefe erzeugt, ist aber die Farbe selbst entscheidend für die Bildwirkung. Denn das frische Grün der Blätter, die tanzenden Lichtpunkte aus Weiß und die kompositorisch exakt platzierten Durchblicke in den Himmel in strahlendem Blau fügen sich erst zu eben dem frischen und harmonischen Klang, der die Anziehung dieser Bilder ausmacht.
Ein großer Teil von Reimers Malerei hat ihren Schwerpunkt in der Darstellung von Räumen. Seine Malerei offenbart die hohe Vielseitigkeit des Themas. Zum einen stellt er geschlossene Räume, die aus der Zeit gesprungen zu sein scheinen: Hotels, Ferienwohnungen, Wohnzimmer, Schlafzimmer. Alle diese Bilder verfremdet und seltsam anrührend. Der andere Teil der Bilder öffnet den Innen- zum Außenraum, eine postindustrielle Landschaft ersetzt die Rückwand der Räume, Personen agieren in den unterschiedlichen Bildebenen und sind gleichzeitig ein Teil der Einrichtung und Ornamentik. Außen und Innen werden wie in einem Möbius‘schen Band seltsam verknüpft. Wohnen ist wichtig in Deutschland, man will es gemütlich haben, es soll präsentieren, aber es soll gleichzeitig auch individuell sein und in der Einrichtung eine persönliche Note herausstreichen. Man umgibt sich mit einer Einrichtung, die schon aus sich heraus etwas zum Selbstverständnis des Bewohners aussagen soll. Zusätzlich dokumentieren persönliche Fundstücke, Bilder oder Andenken, quasi als Denkmäler punktweise die persönliche Biografie.
Ein wenig grotesk wirken heutzutage Einrichtungskataloge. Vorbei die Zeit, wo einzelne Möbelstücke, eben wie in einem Katalog, aufgelistet werden. Gezeigt werden meistens fertig eingerichtete Räume – oft sogar schon mit Bewohnern. Bilder hängen bereits an den Wänden, Erinnerungsstücke auf den Simsen, Kinderspielzeug liegt verstreut auf dem Boden. Ähnliches findet man auf Fotos im Internet auf der Suche nach Ferienwohnungen. Zwar sind die Räume für Feriengäste eingerichtet, spiegeln aber doch mit Sicherheit Einiges aus den Lebensgewohnheiten und der Geschmackswelt der Besitzer wider. Auch hier findet man persönliche Accessoires, als ob die Ferienwohnungen bewohnt wären, teilweise liegt eine Tasche auf einem Stuhl, oft brennen die Lampen bis auf genau eine – man weiß nicht, ob defekt oder vergessen einzuschalten –, Tassen stehen auf dem Tisch, als ob die Bewohner gerade aufgesprungen wären. Ein wenig wie in dem Film „Bladerunner“ von Ridley Scott werden, statt den eventuell zu Depressionen neigenden Robotern, hier den Räumen künstliche Biografien und Erinnerungen eingepflanzt.
Teilweise werden die Räume nahezu realistisch dargestellt, teilweise brechen die dargestellten Räume an einzelnen Stellen auf oder sie erweitern sich zum Außenraum. Personen stehen bzw. sitzen teilnahmslos herum, gleichwertig zu den abgebildeten Einrichtungsgegenständen bzw. Architektur- oder Landschaftselementen. Manchmal lösen sich diese Figuren sogar direkt in ihrer Umgebung auf. Hotelzimmer oder Ferienwohnungen werden zusätzlich durch die Farbgebung, die Ornamentik verfremdet. Reimer lotet hierbei die malerischen Möglichkeiten auf gekonnte Weise aus.
Er beschreibt das scheinbar Bekannte, fokussiert das scheinbar Unwesentliche, wie z. B. Sessel, Sitzgruppe, Couchtisch, Schrankwand oder Gebäude, alles dies Elemente des bewohnten wie umbauten Lebens, die uns fast nicht mehr auffallen, weil sie so sehr zum Alltag gehören. Reimer macht diese Dinge wieder sichtbar. Die uns eigentlich unbekannten Räume und Landschaften wirken auf uns seltsam vertraut, evozieren Erinnerungen an schon mal Gesehenes oder Erlebtes. Die Bilder erzählen Geschichten, die nicht in Worte zu fassen sind, besitzen eine melancholische Atmosphäre und wirken dabei seltsam anrührend, ein unbestimmtes Gefühl, das noch längere Zeit nachklingt. Dies ist vielleicht das Überraschendste: Reimers Bilder gehen einem nicht mehr so leicht aus dem Kopf – aber seichte Melodien sind sie wirklich nicht.
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